Schweizer Militärpilot auf US-Flugzeugträger – «inakzeptabel!»

Interview mit Nationalrat Luzi Stamm, Mitglied der Aussenpolitischen Kommission

Nationalrat Luzi Stamm, SVP (Bild thk)
Nationalrat Luzi Stamm, SVP (Bild thk)

Die Armee der Schweiz ist traditionell eine Verteidigungsarmee, im Milizsystem organisiert, mit der Aufgabe, die immerwährende Neutralität gegen Angriffe von aussen zu schützen. Umso absonderlicher ist es, dass ein Schweizer Pilot auf einem US-Flugzeugträger starten und landen übt. Wer die geografische Lage der Schweiz kennt, muss sich an den Kopf fassen und fragen: Wozu? Dass er das auch noch auf einem US-Flugzeugträger tut, der bei allen Kriegen der USA, vor allem den illegalen, im Einsatz war, wirft weitere Fragen auf. Dass ein Schweizer Pilot zusätzlich noch US-Piloten für Kriegseinsätze ausbildet, tangiert im höchsten Masse die Neutralität der Schweiz. Bundesrat Guy Parmelin steht nun in der Pflicht. Nationalrat Luzi Stamm ist über diesen Vorgang befremdet.

Zeitgeschehen im Fokus Seit 20 Jahren trainiert jeweils ein Schweizer Pilot für drei Jahre mit der US-Air Force in den USA. Wie beurteilen Sie diesen Vorgang?

Nationalrat Luzi Stamm Zunächst muss ich feststellen, dass es schon falsch ist, dass wir in der Aussenpolitischen Kommission darüber nicht informiert wurden, denn solche Einsätze sind etwas, was die Schweizer Aussenpolitik ganz grundsätzlich betrifft.

Wie ist der Vorgang, abgesehen von der mangelnden Information, einzuschätzen?

In meinen Augen hoch problematisch, auch wenn ich nicht alle Hintergründe kenne! Wenn es z. B. darum geht, dass die Schweiz Armeeflugzeuge kauft – amerikanische, europäische (Euro-Fighter oder Gripen) oder theoretisch auch russische – dann ist es verständlich, dass ein paar Piloten in den betreffenden Ländern damit fliegen müssen, um den Flugzeugtyp kennenzulernen. Darüber hinaus darf es eine Luftwaffen-Zusammenarbeit mit dem Ausland kaum geben.

Was heisst «kaum»?

Beim Training kann z. B. punktuell eine Zusammenarbeit sinnvoll sein. Zum Beispiel ist es sinnvoll, wenn Schweizer Piloten im Ausland Überschallflüge trainieren dürfen. Der Überschallknall ist wegen der Lärmemission in der dichtbesiedelten Schweiz nicht akzeptabel. Das heisst, unsere Piloten müssen das irgendwo ausserhalb unserer Landesgrenzen üben können. Das könnte man über dem Mittelmeer, in Südafrika, über unbewohnten Tiefebenen westeuropäischer Staaten oder sonst an geeigneten Orten üben. Das kann man akzeptieren.

Aber im Fall des Schweizer Piloten wird auf einem amerikanischen Flugzeugträger geübt.

Das ist – höflich ausgedrückt – erstaunlich und sogar im wahrsten Sinne «brandgefährlich». Wenn solche Übungen auch nur in der Nähe der russischen Grenze geschehen würden, z. B. vor der Küste Estlands, Litauens usw., dann würde ich begreifen, dass die Russen dies als schwerste Neutralitätsverletzung betrachten würden und, wenn das z.B. unmittelbar vor der Küste der Krim passieren würde, sogar mit einem Beschuss antworten würden. Es ist der zentrale Punkt der Neutralität, sich nicht auf solche brandgefährlichen Spielchen einzulassen.

Die direkte Gefahr einer Konfrontation mit den Russen ist in dem Fall wohl nicht gegeben.

Die erste Meldung von Schweizern auf amerikanischen Flugzeugträgern hat mich absolut schockiert. Zwei Dinge haben die Problematik aber etwas relativiert: Erstens war es offenbar nur ein Pilot und nicht mehrere, und zweitens fand diese Übung vor der Küste der USA und nicht vor der Grenze Russlands statt …

… aber landen auf einem US-Flugzeugträger?

Ja, das ist völlig absurd.  Man stelle sich vor, ein Schweizer Pilot hätte auf einem russischen Flugzeugträger starten und landen geübt! Auch wenn ich privat ein sehr gutes Verhältnis zu Amerikanern habe, nimmt mich wunder, wie der Bundesrat und die Bundesverwaltung eine solche Übung rechtfertigen wollen.

Das Programm des Piloten besteht aber nicht nur aus Starten und Landen auf einem Flugzeugträger, sondern er trainiert auch US-Piloten für Kampfeinsätze in Afghanistan, im Irak oder anderen US-geführten – meist völkerrechtswidrigen – Kriegen.

Dass der Schweizer Pilot US-Piloten für Kampfeinsätze trainiert, höre ich jetzt zum ersten Mal. Wenn dem so ist, dann ist dies absolut inakzeptabel. Das muss in der Aussenpolitischen Kommission thematisiert werden.

Das Trainingsprogramm geht auf eine Abmachung im Jahr 1995 zurück. Die Welt hat sich seit dieser Zeit stark verändert. USA und Russland sind in einer zugespitzten Situation. Müsste die Schweiz hier nicht viel mehr Vorsicht walten lassen?

Selbstverständlich müssten wir heute noch viel vorsichtiger und zurückhaltender sein. Eine «offensive» oder «aktive» Neutralitäts-politik darf es für die Schweiz nicht geben. Unsere Neutralität wäre sonst sofort zerstört.

Herr Nationalrat Stamm, vielen Dank für das Gespräch.

Interview Thomas Kaiser

Zusammenarbeit mit dem Uno-Menschenrechtsrat auf der Grundlage souveräner Staaten

Der venezolanische Aussenminister Jorge Arreaza warnt vor Missbrauch der Menschenrechte

von Thomas Kaiser, Genf

Aussenminister Jorge Arreaza (Bild thk)
Aussenminister Jorge Arreaza (Bild thk)

Am 11. September 2017, dem Eröffnungstag der Herbstsession des Uno-Menschenrechtsrats in Genf, hat neben anderen hochrangigen Vertretern verschiedener Länder der venezolanische Aussenminister, Jorge Arreaza, eine 20minütige Rede vor versammeltem Gremium gehalten und sich sehr dezidiert und eindeutig zu Entwicklungen der Weltpolitik, aber auch zur Situation in der Bolivarischen Republik Venezuela und zu ihrem Verhältnis zu den Menschenrechten geäussert. Seine Rede muss auch als Antwort auf das einführende Referat des Hochkommissars für Menschenrechte Zeid Ra’ad Al Hussein verstanden werden, in dem dieser eine grosse Anzahl Staaten erwähnte, die die Menschenrechte verletzten, und im Tenor des Mainstreams Venezuela ebenfalls Verletzungen der Menschenrechte vorwarf, ohne die komplexe Situation im Land nur annähernd darzulegen.

Begonnen hat Jorge Arreaza mit einem Verweis auf den 11. September, aber nicht 2001, wie das zuvor der Hochkommissar für Menschenrechte exklusiv getan hatte, sondern 1973, als Salvador Allende, der demokratisch gewählte Präsident von Chile, «durch einen Militärputsch mit Unterstützung der CIA und der US-Botschaft gestürzt» und sein «hoffnungsvolles demokratisches Experiment» zerstört wurde. «Dies brachte das terroristische Regime an die Macht, das 17 Jahre lang gnadenlos regierte und verantwortlich war für eine Vielzahl von Menschenrechtsverletzungen, die bis heute nicht juristisch aufgearbeitet worden sind.» Tatsächlich diente Chile als neoliberales Versuchslabor, das einen Grossteil der Menschen in bittere Armut stürzte. Aussenminister Jorge Arreaza sprach denn auch von «einem traurigen Tag für den Kontinent».

Zusammenhang zwischen Terrororganisationen und kolonialem Verhalten

Dennoch unterliess er es nicht, die Terrorattacken vom 11.09.2001 in New York und Washington zu erwähnen und die daraus resultierenden Kriege in den historischen Zusammenhang zu stellen: «Die Terrorangriffe haben nicht nur Tod und Leid für das amerikanische Volk gebracht, sondern einen Vorwand geliefert, um zwei Kriege, nämlich gegen Afghanistan und den Irak, zu entfesseln, die nach wie vor im Gang sind.» Der Krieg gegen den Irak, der «ohne Zustimmung der Vereinten Nationen geführt wurde», hatte «die Bombardierung von Zivilpersonen, die verheerende Zerstörung des kulturellen Erbes, der Infrastruktur, eine Million von Toten und unzählige Verletzte» zur Folge. Weiter referierte er, dass «die USA zugeben mussten, dass sie weder Spuren von Massenvernichtungswaffen, dessen angebliche Existenz die Begründung für den Einmarsch im Irak lieferte, noch irgendeine Verbindung zwischen den Terrorangriffen in New York und der gestürzten Regierung im Irak gefunden haben».

Im weiteren legte der Aussenminister dar, dass bis heute von Staaten imperiale Politik betrieben werde, die für sich «das Recht in Anspruch nehmen, überall auf der Welt zu intervenieren». So sieht er auch einen Zusammenhang zwischen Terrororganisationen und kolonialem Verhalten gewisser Staaten, was in den letzten Jahren zu einer Massenflucht geführt habe sowie zu «blutigen Bürgerkriegen in Ländern, in denen der moderne Imperialismus den Versuch unternommen hat, den Zugang zu den Bodenschätzen zu sichern».

«Politisierung der Menschenrechte verhindern»

Er bemängelte, dass es bisher «keine Garantien für die Einhaltung der Menschenrechte» gibt, obwohl die Uno mehrere Instrumente wie z. B. die von ihm erwähnte «Wiener Erklärung» der Weltmenschenrechtskonferenz im Jahre 1993 dazu entwickelt hatte. Von Bedeutung sind hier noch weitere Übereinkünfte wie der «Internationale Pakt der bürgerlichen und politischen Rechte» u. a., die ein Eingreifen in die Souveränität der Länder verbieten. Letztlich ist der im Jahre 2006 gegründete Menschenrechtsrat das Gremium, das über die Einhaltung dieser Grundlagen zu wachen habe. Die in Wien «verabschiedete Charta garantiert die Universalität, Objektivität und Allgemeingültigkeit ohne Ausnahmen bei der Überprüfung, wie die Menschenrechte umgesetzt werden, um die doppelten Standards auszumerzen und die Politisierung der Menschenrechte zu verhindern».

Im weiteren Verlauf der Rede kam Aussenminister Arreaza auf sein Land zu sprechen, das genau das erleben müsse, dass man «unter dem Vorwand der Menschenrechte versucht, andere Staaten zu dominieren. Die Strategie gegen meinen Staat, die von verschiedenen Machtzentren ausgeht, ist ein deutliches Beispiel für den Missbrauch der Menschenrechte als politische Waffe. Tagtäglich befeuern grundlose Anschuldigungen gegenüber Venezuela eine Zuspitzung der Menschenrechtslage.» Er erwähnte den venezolanischen Präsidenten Nicolas Maduro, der davor gewarnt habe, Menschenrechte zu benutzen, um in staatliche Abläufe einzugreifen und politische Ziele zu verfolgen. «Diese Warnung ist dringender denn je, denn man muss den Menschenrechtsrat schützen, damit er nicht missbraucht wird, um in die politischen Prozesse unabhängig denkender Regierungen von unabhängigen Staaten einzugreifen.» Jorge Arreaza versicherte, dass sein Staat bereit sei, mit dem Menschenrechtsrat als souveräner Staat zusammenzuarbeiten, um so diese Institution zu stärken. 

Aggressionen gegen das Land stoppen

Er kritisierte einen aktuellen Bericht über Venezuela und bezeichnete ihn als «parteiisch» und «ohne reale Grundlage». Er verfolge das Ziel, «die Souveränität und die Stabilität des Landes zu erschüttern». Auch forderte er im Namen des venezolanischen Volkes, das in Frieden, Freiheit und sozialer Sicherheit leben möchte, den Hochkommissar für Menschenrechte auf, «die Aggressionen gegen das Land als Folge solcher Berichte zu stoppen», die nicht von den Mitgliedern des Menschenrechtsrates in Auftrag gegeben worden seien, denn sie seien «gespickt mit Lügen».

Er monierte: «Häufig sind es die USA, die die meisten Menschenrechtsverletzungen begehen mit illegalen Kriegen, wirtschaftlichen Blockaden, einseitigen Zwangsmassnahmen, unwürdigen Mauern, um Menschen zu trennen, ­illegalen Gefängnissen wie Guantanamo und den CIA-Geheimgefängnissen, in denen sie Menschen, verteilt über die ganze Welt, foltern.»

«Donald Trump hat mit einer militärischen Aktion gedroht»

Deutliche Kritik übte er an der sich immer stärker radikalisierenden Opposition, die in den Monaten von April bis Juli 2017 mit äusserster Gewalt vorgegangen sei. Die Folgen sind: «121 Tote, die zur Hauptsache auf das Konto der gewalttätigen Opposition gehen, und über 900 verletzte Sicherheitsbeamte, davon 73 mit Schussverletzungen. 16 dieser Fälle gehen auf eine Überreaktion der Polizei zurück. Diese Vorfälle wurden zur weiteren Untersuchung der Justiz übergeben.» Es bestehe Gefahr, dass das Land gespalten werde. In dieser Zeitspanne waren Gewaltpraktiken zu beobachten, die es zuvor in dieser Art in Venezuela noch nie gegeben habe. Dabei erwähnte er Attacken auf «Spitäler, Schulen und Lebensmittelverteilzentren», auch wurden Personen wegen ihrer politischen Meinung bei lebendigem Leibe angezündet. Deutlich kritisierte er die Berichterstattung in den Medien, welche die tatsächlichen Abläufe im Land nicht oder falsch wiedergäben. 

Letztlich, so Jorge Arreaza, sei Venezuela Zielscheibe eines Wirtschaftskriegs, der die «Manipulation des Ölpreises beinhaltet, einen Angriff auf unsere Währung und eine Wirtschafts- und Finanzblockade mit dem Ziel darstellt, die wirtschaftliche Entwicklung unseres Landes zu verhindern.» Hinter der Destabilisierung des Landes sieht er das imperiale Ziel, «sich der weltweit grössten Erdölvorkommen, der Gas-, Gold-, Coltan- und Wasserreserven zu bemächtigen». Dass die USA ein Auge auf Venezuela geworfen haben, sieht Jorge Arreaza in Trumps militärischer Drohung bestätigt. «Am 11. August 2017 hat der Präsident der USA, Donald Trump, mit einer militärischen Aktion gedroht und hat am 20. August einseitige Zwangsmassnahmen gegen Venezuela erlassen.» Das Verhalten der USA «verletzt die Menschenrechte unseres Volkes genauso wie es auch die illegale Blockade unserer Schwesterrepublik Kuba tut […]. Einseitige Zwangsmassnahmen, wie sie hier von den USA verhängt wurden, hat der Menschenrechtsrat als Bruch des Völkerrechts, der Uno-Charta und der Prinzipien des friedlichen Zusammenlebens der Völker anerkannt.» Wenn schon, dann ist also nur der Uno-Sicherheitsrat befugt bei Gefährdung des Weltfriedens, solche Massnahmen zu ergreifen.

73 Prozent des Staatshaushalts für Soziales ausgegeben

«Trotz dieser imperialen Aggression», versicherte Jorge Arreaza, «hat Venezuela sein Modell der Menschenrechte nicht aufgegeben […]. 73 Prozent des Staatshaushalts wird für Soziales ausgegeben». Im weiteren berichtete er, dass alle Menschen eine kostenfreie medizinische Erstversorgung haben und dass über eine Million Sozialwohnungen gebaut worden seien. Sie machten keine Abstriche von ihren Plänen, die soziale Lage der Menschen zu verbessern.

Mit der Wahl der verfassungsgebenden Versammlung sei das Land auf den demokratischen Weg zurückgekehrt, denn die Zusammensetzung der Versammlung widerspiegle den Willen des Volkes. Mit der Einrichtung des «Komitees für Wahrheit, Gerechtigkeit und öffentliche Sicherheit» soll die politische Gewalt untersucht werden, die seit 1999 bis 2017 aufgetreten ist.

Seine Rede beendete Jorge Arreaza, indem er nochmals betonte, dass die Regierung Venezuelas mit dem Menschenrechtsrat zusammenarbeiten wolle und dass sie auch dankbar sei für die Unterstützung, die sie zur ständigen Verbesserung ihrer Lage im Land bekomme. Als Ausdruck ihres Willens zur Zusammenarbeit teilte er mit, die Regierung habe sich entschlossen, in den nächsten Monaten drei spezielle Abläufe untersuchen zu lassen und dazu Vertreter der Uno nach Venezuela einzuladen, um die Lage vor Ort zu beurteilen.

Im Namen des Präsidenten Nicolas Maduro bedankte er sich, hier vor diesem erlauchten Gremium sprechen zu dürfen.

Was nach der Rede folgte, war ein lang anhaltender Applaus als Ausdruck der Solidarität vieler Staaten, besonders der Blockfreien, deren Präsidentschaft Venezuela im Moment innehat.

«Kriegswirtschaft in Friedenswirtschaft transformieren»

Interview mit Professor Dr. iur. et phil. Alfred de Zayas

Professor Dr. iur. et phil. Alfred de Zayas (Bild thk)
Professor Dr. iur. et phil. Alfred de Zayas (Bild thk)

Zeitgeschehen im Fokus Sie haben jetzt seit fünfeinhalb Jahren an der Uno das Mandat des Unabhängigen Experten zur Förderung einer demokratischen und gerechten internationalen Ordnung inne. Nächstes Jahr läuft Ihr Mandat aus. Was müsste geschehen, damit die Welt gerechter und demokratischer wird?

Professor de Zayas Die Prinzipien des internationalen Rechts, insbesondere das friedliche Zusammenleben der Staaten, Respekt vor der Selbstbestimmung der Völker und dem Prinzip der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten von Staaten – dies muss besser geachtet werden. Mein Mandat, das auf der Resolution 18/6 vom 21. September 2011 basiert, ist ein universelles, das sämtliche bürgerlichen, wirtschaftlichen, politischen, sozialen und kulturellen Rechte vereinigt, so dass dies dem Unabhängigen Experten die Aufgabe gibt, alle diese Rechte auf ganzheitliche Weise zusammenzubringen und dabei kohärente, konsequente, pragmatische Empfehlungen zu formulieren. 

Wo muss man Schwerpunkte setzen? 

Zunächst muss man die fundamentalen Menschenrechte hervorheben, die durch die aktuelle Tätigkeit des Menschenrechtsrats verloren gehen. Man hat keine Vision mehr und beschäftigt sich mit Marginalien, anstatt die richtigen Prioritäten zu setzen, den Frieden zu bewahren, indem man die Ursachen der Menschenrechtsverletzungen identifiziert und dann präventiv agiert. Frieden ist ein Menschenrecht mit kollektiven, aber auch individuellen Dimensionen. Die Ausübung des Selbstbestimmungrechtes der Völker, was nichts anderes bedeutet, als Demokratie zu sichern, muss respektiert, gefördert, konkret umgesetzt werden. Selbstbestimmung heisst doch, dass die Bevölkerung über ihre Zukunft bestimmen kann, dass sie nicht irgendeinen Repräsentanten wählt, der nachher macht, was er will, und nicht das, was den Bedürfnissen der Bevölkerung entspricht. 

Vielleicht liegt die grösste Gefahr für die Menschheit in den Nuklearwaffen, in der Kriegspropaganda und den Waffengeschäften. Kriege werden wegen des Profits geführt, und eines Tages könnte es sogar durch Fehleinschätzung zum nuklearen Krieg kommen. Abrüstung ist notwendiger denn je. Ausserdem brauchen wir Milliarden, um die Sustainable Development Goals (Ziele der nachhaltigen Entwicklung) bis 2030 zu realisieren. Die Kriegswirtschaft muss in eine Friedenswirtschaft transformiert werden.

Wie sehen Sie die aktuelle Situation im Detail?

Wir können feststellen, dass sich die Politik nicht mehr an den Bedürfnissen der Menschen orientiert, sondern an der Wirtschaft. Die transnationalen Konzerne bestimmen die Finanz- und Wirtschaftspolitik, sonst drohen sie, das Land zu verlassen, was Arbeitslose zur Folge hätte. Es ist ein Wahnsinn, dass man es erlaubt hat, dass die grossen transnationalen Organisationen, die Spekulanten und die Industriellen die Souveränität der Staaten beeinträchtigen, die ontologischen Aufgaben des Staates, nämlich für das Wohl der Bevölkerung zu sorgen, ständig wegfegen. Das einzige, was von Organisationen wie der Weltbank und dem ­Internationalen Währungsfonds ­gemessen wird, ist das Bruttosozialprodukt. Entwicklung und Menschenrechte werden nicht am BIP gemessen, sondern daran, ob die Menschen etwas zu essen haben und zufrieden sind, ob sie ein friedliches Familienleben führen oder überhaupt in Frieden leben können. 

Sie haben das Recht auf genügend Nahrung angesprochen. Ein Recht, das die menschliche Existenz erst garantiert. Wie kann man dieses Recht durchsetzen …

… vor allem, weil die Erde so unheimlich reich ist! Man müsste verhindern, dass die transnationalen Körperschaften sich in die inneren Angelegenheiten von Staaten einmischen und ihnen verbieten, ihre eigene Landwirtschaft zu fördern. Das ist doch eine verkehrte Welt, wenn Menschen andere Menschen ausbeuten. Der Handel ist für die Menschen da und nicht der Mensch für den Handel. Die WTO, die Weltbank und der IWF nehmen sich das Recht, weltweit Handel zu treiben mit möglichst keinen Einschränkungen und Hindernissen. Das geht aber gegen das Wesen eines Staates, der das Wohl der Bevölkerung zu gewährleisten hat.

Wie kann der einzelne Staat das erreichen?

Er muss einen Rechtszustand schaffen, der Essen, Trinken, Wohnen, die Grundbedürfnisse des Lebens garantiert. Er muss die Menschenwürde schützen, und er muss für eine gute Ausbildung sorgen, damit die Menschen in der Lage sind, später eine Arbeit zu finden etc. Das ist es, was der Staat fördern muss. 

Das sieht man immer weniger, es geht immer um Wirtschaftszahlen. 

Ja, es wird alles auf den Kopf gestellt, wenn der Staat sich in bestimmten Verträgen wie z. B. bilateralen Investitionsverträgen oder multilateralen Handelsabkommen, dazu gehört auch die Mitgliedschaft in der WTO, verpflichtet, Gesetze zu ändern oder nicht mehr zur Anwendung zu bringen, wenn diese irgendwie den Handel beeinträchtigen. Deshalb habe ich verlangt, dass in der Verfassung der WTO festgeschrieben wird, dass diese Einmischung in die Hauptaufgaben eines Staates nicht mehr geschehen dürfen. Der Staat muss flexibel und frei bleiben, um z.B. zur Förderung der eigenen Landwirtschaft Massnahmen ergreifen zu können, ohne dass er nachher eine Strafe zu gewärtigen hat. Durch diese neoliberale handelsfreundliche Politik werden Jobs nach Asien, Afrika oder Lateinamerika exportiert, die den Staaten verloren gehen, und Körperschaften, die Steuern bezahlen müssen, wandern einfach in ein anderes Land aus. Andere Konzerne verstecken ihre Profite in Steuerparadiesen. Es ist kriminell.

Was müsste in den Staaten geschehen, damit diese Form der Politik nicht mehr praktiziert wird und die Bevölkerung solchen offensichtlichen Fehlentwicklungen etwas entgegensetzen könnte?

Diese Fehlentwicklungen werden vielfach durch die Medien gutgeheissen. Es wird kurzfristig auf Profit abgestellt, und es wird gelogen. Man manipuliert die öffentliche Meinung durch «fake news» und unvollständige Daten und Statistiken. Die daraus resultierenden sozialen Probleme werden bagatellisiert und den Opfern angelastet. Dadurch sind die einzelnen nicht richtig informiert, und sie wissen nicht, was diese Handelsverträge bedeuten. Wenn man eine wirklich freie Presse hätte und die Medien die Aufgabe, die Menschen umfassend zu informieren, wahrnähmen und die möglichen Konsequenzen aufzeigten, dann könnten die Menschen entscheiden, ob sie diese Verträge wollten oder nicht. Wenn TTP, TTIP, TiSA nicht von irgendeinem Handelsministerium oder der Europäischen Kommission beschlossen würden, sondern durch ein Referendum, würden diese Verträge zu 80 Prozent abgelehnt. Das ist es, was ich in meinem Mandat «für die Förderung einer demokratischen und gerechten internationalen Ordnung» verlange. Das ist das Prinzip der Selbstbestimmung, die Möglichkeit, Ja oder Nein zu einer bestimmten Politik sagen zu können. Das habe ich in 12 Berichten an die Generalversammlung und den Menschenrechtsrat immer wieder verlangt und auf die schwerwiegende Problematik hingewiesen. 

Wie waren die Reaktionen darauf?

Viele Nichtregierungsorganisationen haben applaudiert, aber die Medien, die diese Aspekte aufgreifen müssten, haben geschwiegen. Und weil die Medien gleichgeschaltet sind, ist der Erfolg meiner Arbeit hier an der Uno zwar respektiert, aber die Öffentlichkeit hat so gut wie nichts darüber erfahren. Ja, sie weiss nicht einmal, dass es so ein Mandat gibt. Ich habe mich immer dafür eingesetzt, dass ein Mechanismus entwickelt wird, der die Umsetzung dieser Berichte und damit die Tätigkeit der Mandatsträger fördert. Leider sind wir eine Versammlung von Kassandras – deren Warnungen einfach ignoriert werden.

Es müsste doch eine Öffentlichkeit über diese segensreiche Arbeit entstehen. Eigentlich müssten Ihre Vorschläge und die vielen der übrigen Mandatsträger in der Bevölkerung breit diskutiert werden! 

Ja, das wäre die richtige Konsequenz, aber bisher ist das nicht geschehen, weil es gegen das Inte-resse der politischen Eliten im Verbund mit den transnationalen Körperschaften steht, und die bestimmen in den meisten Ländern die Politik. Für die transnationalen Konzerne geht es immer um den kurzfristigen Profit, und diesem wird alles untergeordnet. 

Was könnte man dagegen tun?

Die Regierungen und Volksvertreter müssen das endlich einsehen und wieder eine Politik betreiben, die sich, wie ich am Anfang sagte, an den Bedürfnissen der Staatsbürgerinnen und Staatsbürger orientiert. Die Instrumente der Initiative und des Referendums, wie es in der Schweiz seit über hundert Jahren existiert und erfolgreich umgesetzt wird, muss auch in anderen Staaten entsprechend ihrer Geschichte und ihren Bedingungen eingeführt werden. Nur wenn die Völker die Möglichkeit haben, sich zu politischen Entwicklungen direkt zu äussern, und sie das Schicksal ihres Staates mitbestimmen können, wird es mehr Demokratie und eine gerechtere internationale Ordnung geben. Dann wird auch der UN-Menschenrechtsrat nicht mehr nur ein Gremium der Mächtigen sein, sondern seine Funktion als Vertretung der Völker in Menschrechtsfragen wahrnehmen können. Dann sind es die Völker, die sich für eine Verbesserung der Menschenrechtslage in ihren Staaten einsetzen werden, und das sicher mit grosser Nachhaltigkeit. 

Herr Professor de Zayas, ich danke für das Gespräch. 

Interview Thomas Kaiser, Genf

Das Gespräch entspricht der persönlichen Meinung von Professor de Zayas und wurde nicht offiziell in seiner Eigenschaft als unabhängiger Experte an der Uno geführt. Siehe auch www.alfreddezayas.com und http://dezayasalfred.wordpress.com

«Wert auf humanitäres Kapital anstatt auf den Markt legen»

von Dr. phil. Henriette Hanke Güttinger

Nachrichten in den Medien sind in der Regel fokussiert auf politische Probleme und bewaffnete Konflikte in den Interessenssphären westlicher Grossmachtpolitik. Oft fehlt es an positiven Nachrichten, die deutlich machen, dass die Spezies Mensch in ihrer überwiegenden Mehrheit nicht auf Rendite hin orientiert ist, sondern aus mitfühlenden Wesen besteht, die gerne helfen und mit anderen teilen. Eine dieser guten Nachrichten ist die Verleihung des Dr. Lee Jong-wook Preises für hervorragende Leistungen im Dienste der öffentlichen Gesundheit durch die Weltgesundheitsorganisation WHO. 

Im Rahmen der 70. Generalversammlung der WHO wurde in diesem Jahr die internationale medizinische «Henry Reeve Brigade», die dem kubanischen Gesundheitsministerium untersteht, mit dem Dr. Lee Jong-wook Preis ausgezeichnet. Damit würdigte die WHO die weltweiten freiwilligen Einsätze der hochqualifizierten medizinischen Fachleute bei Naturkatastrophen und lebensbedrohlichen Krankheiten und Epidemien.

Humanitäre Hilfe hat Tradition

Die humanitäre medizinische Hilfe, die Kuba weltweit leistet, hat Tradition. Nach der kubanischen Revolution von 1959 hatten viele aus der wohlhabenden Schicht das Land verlassen, so auch die Hälfte der Ärzteschaft. Obwohl Kuba danach nur noch über 3 000 Ärzte verfügte, leistete es in Chile bereits 1960 nach einem verheerenden Erdbeben mit Ärzten und Krankenschwestern Hilfe. 1963 reisten 50 medizinische Fachkräfte in das eben unabhängig gewordene Algerien, um beim Aufbau der Gesundheitsversorgung mitzuhelfen. Diese humanitäre Tradition setzt Kuba bis heute fort, auch wenn es zum politischen System eines betroffenen Landes im Widerspruch steht.1 So leistete es 1972 medizinische Hilfe nach einem schweren Erdbeben in Nicaragua, damals noch unter der Diktatur von Anastasio Somoza. 

Die internationale «Henry Reeve Brigade»²

2005 begründete Fidel Castro Ruz mit der «Henry Reeve Brigade» ein Katastrophenhilfecorps mit über 1500 medizinischen Fachkräften, das bei Naturkatastrophen und bei der Bekämpfung von gefährlichen Epidemien innert kürzester Frist weltweit eingesetzt werden kann. Bis heute leisteten 24 Brigaden mit über 7 000 Teams von speziell für Katastropheneinsätze ausgebildeten medizinischen Fachleuten in 21 Ländern Soforthilfe, so unter anderem in Bolivien, Chile, China, El Salvador, Equador, Guatemala, Haiti, Indonesien, Mexiko, Nepal, Pakistan oder Peru.³ Oft war die «Henry Reeve Brigade» als erste vor Ort. Schätzungen zufolge wurden so 3,5 Millionen Menschen durch hochqualifizierte Ärzte und medizinisches Fachpersonal behandelt und 80 000 Menschenleben gerettet.⁴

Katastropheneinsätzen folgt langfristige präventive Hilfe 

Nach Katastropheneinsätzen bleiben die kubanischen Teams in der Regel vor Ort und leisten langfristige Hilfe.⁵ Dazu gehört auch die medizinische Ausbildung der einheimischen Kräfte, um eine zuverlässige medizinische Grundversorgung auch nach Abzug der Kubaner sicherzustellen. Während ihres Aufenthaltes leben die Kubaner inmitten der einheimischen Bevölkerung in den selben einfachen Verhältnissen. 

Grundlegend für den Aufbau eines nachhaltigen, präventiven Gesundheitssystems ist die Aufklärung der Bevölkerung darüber, wie Krankheiten aktiv verhindert werden können. 2009 hatte Wirbelsturm Ida in El Salvador und Guatemala gewütet. Nach der medizinischen Katastrophenhilfe in den ersten zwei Monaten im zentralen Feldlazarett konzentrierten sich die kubanischen Helfer mit den einheimischen Kräften auf die Aufklärung der Bevölkerung zur Eindämmung des Denguefiebers. John Kirk, Professor für Lateinamerikanische Studien an der Dalhousie Universität in Kanada, konnte sie dabei begleiten: «Ich begleitete Teams von kubanischen und salvadorianischen health promoters in ländliche Gemeinden, wo sie, von Tür zu Tür gehend, Chemikalien verteilten zum Gebrauch in den Wassertanks, um die Moskitolarven zu töten und über Gesundheitsgrundlagen und Hygiene zu sprechen». Die salvadorianische Seite war beeindruckt von der gleichwertigen Zusammenarbeit mit ihren kubanischen Kollegen: «Als ich hörte, die Kubaner werden teilnehmen, erwartete ich etwas ganz anderes – eine Form von Supervision oder Kontrolle durch diese. (…) Ich erwartete kein Team, in welches wir vollkommen integriert sind, arbeitend Seite an Seite, als wir zusammen von Tür zu Tür gingen und gemeinsam die Leute über die Mittel informierten, mit denen Denguefieber ausgerottet werden kann.»⁶

Eindämmung von Ebola in Westafrika

Mit dem Dr. Lee Jong-wook Preis würdigte die WHO auch die Arbeit der 250 köpfigen «Henry Reeve Brigade» beim Ausbruch des Ebola Virus in Guinea, Liberia und Sierra Leone zwischen 2014 und Mai 2016.⁷ UNO-Generalsekretär Ban Ki-Moon und WHO-Generalsekretärin Dr. Margaret Chan hatten Raul Castro Ruz um Hilfe gebeten. Unverzüglich reisten mehr als 250 kubanische medizinische Fachleute nach Westafrika und bekämpften unter Einsatz ihres Lebens die Epidemie, so auch der Arzt Felix Baez Sarria, der in Genf den Preis stellvertretend für die «Henry Reeve Brigade» entgegennahm. 2015 war er bei seiner Arbeit in Sierra Leone mit Ebola infiziert worden. Nach der Behandlung in Kerry Town, der Schweiz und Kuba kehrte er nach seiner Genesung sofort nach Sierra Leone zurück, um erneut zu helfen. «Diese gesamte Erfahrung hat mir eine Lektion in Bescheidenheit erteilt und hat mich sowohl beruflich wie auch persönlich bereichert. Ich bin viel aufmerksamer für die Risiken, denen wir durch unsere Patienten ausgesetzt sind, für die Möglichkeit, in einer solchen Situation auch zu sterben, und für das Recht, in Würde zu sterben. Meine Haltung gegenüber der Krankheit hat sich ebenfalls verändert; Ebola ist kein Todesurteil. Wenn wir rasch handeln und auf unser Wissen und unsere Ausrüstung vertrauen, können wir Ebola besiegen, das gibt Hoffnung», so Dr. Baez Sarria bei der Entgegennahme des Preises vor der WHO, und weiter: «Die Vergabe des Dr. Lee Jong-wook Preises ist für die Arbeit unserer Brigade eine unschätzbare Anerkennung und ein Ansporn, unsere Solidarität und unsere Hilfe für jene fortzusetzen und auszuweiten, welche mit Notsituationen und Naturkatastrophen konfrontiert sind.»³ 

Entscheidender Schritt zu einer AIDS-freien Generation

2015 gab die WHO bekannt, dass es in Kuba weltweit erstmals gelungen war, die Übertragung von HIV und von Syphilis bei der Geburt von der Mutter auf ihr Neugeborenes erfolgreich zu verhindern. «Das ist ein grosser Sieg in unserem langen Kampf gegen HIV und sexuell übertragene Infektionen und ein wichtiger Schritt zu einer AIDS-freien Generation», so Dr. Margaret Chan, die Generaldirektorin der WHO. Was das in Zukunft 

für unsere Welt bedeutet, fasst Michel Sidibé, Direktor der UNO-Abteilung für den Kampf gegen Aids, wie folgt in Worte: «Das ist ein Freudenfest für Kuba und ein Freudenfest für Kinder und Familien überall. Es zeigt, dass es möglich ist, die Aids-Epidemie endgültig zu besiegen.»⁸

Bei Recherchen zum humanitären Engagement des kleinen Inselstaates stösst man auf Kostbarkeiten, von denen hier nur ein Teil beschrieben worden ist. In der westlichen Welt sind sie nahezu unbekannt. Trotz schwierigster ökonomischer Bedingungen, mitverursacht durch die völkerrechtswidrigen Sanktionen der USA⁹, leistet Kuba heute weltweit mit mehr medizinischen Fachkräften qualifiziert Hilfe als der gesamte Club der reichsten Länder. Die Hilfeleistung im Ausland geht jedoch nicht auf Kosten der kubanischen Bevölkerung. In Kuba gibt es insgesamt 493 368 medizinische Fachkräfte. Damit stehen für 10 000 Einwohner 80,2 Ärzte, 15 Zahnärzte sowie 79,3 Krankenschwestern zur Verfügung. Für die Gesundheit seiner Bevölkerung gibt Kuba mehr aus als die USA oder Deutschland. In andere Länder schickt Kuba Ärzte und keine Soldaten. Unsere Welt wäre eine andere, wenn sich die USA und die Nato-Staaten an dieser Ethik orientieren würden.

Den Patienten nicht als «Fall», sondern als Persönlichkeit behandeln

Eine medizinische Behandlung beschränkt sich nicht auf das aktuelle medizinische Problem des Patienten, sondern erfasst ihn ganzheitlich in seiner Persönlichkeit: «Die kubanischen Ärzte behandeln ihre Patienten als Individuen, anerkennen ihre menschlichen Qualitäten und nehmen sich Zeit für sie. Ihre medizinische Behandlung ist anders – die kubanischen Ärzte respektieren ihre Patienten und hören ihnen zu.»12 ν

 

1 Nach dem verheerenden Hurrican Katarina von 2005 wandte sich die stellvertretende Direktorin der Nordamerika-Abteilung des kubanischen Aussenministeriums mit folgender schriftlichen Botschaft an den amerikanischen Präsidenten George W. Bush: «Auf Anweisung der Führung der kubanischen Regierung bekunde ich Ihnen unsere Anteilnahme an dem vom Hurrikan Katrina verursachten Verlust von Menschenleben und den materiellen Schäden und informiere Sie über unsere Bereitschaft, unverzüglich die erforderlichen Ärzte und Gesundheitspersonal in die be­troffenen Gebiete zu entsenden, außerdem drei Feldhospitäler mit dem nötigen Personal.» Bush lehnte ab.
Vgl. Freitag, 2. September 2005: Wiederholtes Angebot Fidel Castros über ärztliche Hilfe für das US-amerikanische Volk, unterbreitet im Fernsehprogramm Mesa Redonda (Podiumsgespräch).

² Die Brigade trägt den Namen des Amerikaners Henry Reeve, der zwischen 1868 und 1878 an der Seite der Kubaner im Unabhängigkeitskrieg gegen Spanien gekämpft hatte. 

³ WHO, Prix Dr Lee Jong-wook pour la santé publique 2017 Brigade médicale internationale Henry Reeve (Cuba), Soixante-dixième Assemblée mondiale de la santé, 26 mai 2017

⁴ Korea Biomedical Review, Constance Williams, KOFIH awards 9th Lee Jong-wook Award to Cuban doctors.

⁵ 2010 waren in 77 Ländern weltweit 25 000 kubanische Ärzte und 10 000 medizinische Fachkräfte tätig. Die in Kuba verbleibenden 500 00 Ärzte machen möglich, dass jeweils für 220 Einwohner ein Arzt zur Verfügung steht. Bezüglich Ärztedichte steht das Land weltweit an der Spitze.

⁶ John M. Kirk, Chris Walker: Moral medicine: the Cuban way A revolutionary example of efficient an affordable healthcare, in: New Internationalist, Nov 01, 2012

⁷ «Die Brigade leistete einen bedeutenden Einsatz während dem Ausbruch von Ebola in Westafrika: Über 250 Gesundheitsfachleute stellten in Sierra Leone, Guinea und Liberia medizinische Hilfe zur Verfügung», so im Text der WHO zur Preisverleihung.

⁸ Margaret Chan, zitiert in WHO, WHO validates elimination of mother-to-child transmission of HIV an syphilis in Cuba, 30.6.2015

⁹ Die Lieferungen von medizinischen Gütern für die Kliniken und Apotheken sind von den US-Sanktionen ebenfalls massiv betroffen. So fehlt es an Krebsmedikamenten auch für Kinder, an Medikamenten gegen Aids, Arthritis, an Mitteln für die Anästhesie und an Testmaterial für Infektionen. Beeindruckend und berührend ist die Tatkraft in einer solch schwierigen Situation. Dazu Antonio Fernandez, Minister für öffentliche Gesundheit: «Wir produzieren 80 Prozent der Medikamente, die wir brauchen, selbst. Den Rest importieren wir aus China, den ehemaligen sozialistischen Ländern, Europa - von jedem, der uns verkaufen will - aber das macht es sehr teuer wegen der Distanzen.»

Nina Lakhani: Cuban medics in Haiti put the world to shame, Indypulse vom 26. Dezember 2010

10 Nach ihrer Ausbildung müssen Krankenschwestern und Ärzte während fünf Jahren im Land oder in einem offiziellen medizinischen Team im Ausland tätig sein. Erst dann dürfen sie Kuba auch verlassen.

11 Imti Choonara, zitiert in: Nina Lakhani, Cuban medics in Haiti put the world to shame, Indypulse vom 26. Dezember 2010

12 María Isabel Rodríguez, Ministerin für Public Health von El Salvador 2010, zitiert in: John M. Kirk, Chris Walker: Moral medicine: the Cuban way A revolutionary example of efficient an affordable healthcare, in: New Internationalist, Nov 01,2012

13 Center for International Policy, Cuban Public Health Cooperation in Haiti, Conference Report, University of California’s Washington Center Washington D.C., April 21, 2010 und Nina Lakhani: Cuban medics in Haiti put the world to shame, Indypulse vom 26. Dezember 2010

 

Das kubanische Gesundheitssystem – Prävention als primäre Aufgabe

In der kubanischen Verfassung ist die kostenlose, staatliche Gesundheitsversorgung als Menschenrecht verankert. Nach einem sechsjährigen Medizinstudium arbeitet jeder Arzt während mindestens drei Jahren zusammen mit einer Krankenschwester in seiner Wohngemeinde, wo er als Familiendoktor für 150 bis 200 Familien zuständig ist.10 Präventive Beratung und Hausbesuche tragen wesentlich zur Gesundheit von werdenden Müttern und ihren Kindern bei. Entsprechend betrug 2010 die Sterblichkeit – ähnlich wie in England und niedriger als in den USA – lediglich 4,8 Todesfälle bei 1 000 Geburten. Von den lateinamerikanischen Ländern hat Kuba die niedrigste geburtsbedingte Müttersterblichkeit.

Neben den Familienärzten stehen der kubanischen Bevölkerung für Notfälle und spezielle Gesundheitsprobleme in Polikliniken (jeweils für 15 000 bis 35 000 Patienten) qualifiziertes Personal im 24 Stundenbetrieb zur Verfügung, das auch Hausbesuche macht, was eine gute, regionale Gesundheitsversorgung gewährleistet und in der internationalen medizinischen Fachwelt entsprechend Anerkennung findet. So stellt Imti Choonara, eine amerikanische Kinderärztin aus Derby, fest: «Das Gesundheitswesen in Kuba ist aussergewöhnlich, und der Schlüssel dabei ist der Familienarzt, welcher viel stärker proaktiv ist und dessen Fokus auf die Prävention gerichtet ist.»11

 

Erdbebenhilfe in Haiti 

Bereits seit dem Hurrikan George von 1998 waren kubanische Ärzte in Haiti in der medizinischen Versorgung der Bevölkerung tätig. Nach dem schweren Erdbeben von 2010 mit 230 000 Toten wurden diese Ärzte vor Ort unverzüglich aktiv und errichteten innerhalb von 24 Stunden erste Feldlazarette. Ihrem weltweiten Aufruf an die ehemaligen Studenten der kubanischen Escuela Latinoamericana de Medicina en Cuba (Elam), nach Haiti zu kommen, um notfallmedizinische Soforthilfe zu leisten, folgten spontan zahlreiche Freiwillige. Schnell stand damit vor Ort eine 1500 köpfige medizinische Equipe zur Verfügung. 263 000 Patienten wurden in der Folge von medizinischen Fachleuten behandelt, 7 400 Operationen, 16 000 Entbindungen und 100 000 Impfungen vorgenommen sowie 75 000 Kinder sozialpsychologisch betreut. Kein anderes Land hat in einem solchen Umfang Haiti im medizinischen Bereich Hilfe geleistet wie Kuba.14 Während die meisten Länder ihr Hilfspersonal bald wieder abzogen, verblieben die kubanischen Fachkräfte vor Ort. In 40 über das ganze Land verteilten Zentren behandelten sie ab Oktober 2010 mehr als 30 000 Cholerapatienten, 40 Prozent aller Cholerafälle in Haiti. Auch die Prävention der Cholera machte sich die «Henry Reeve Brigade» zur Aufgabe, mit Erfolg. «Castro’s Ärzte und Krankenschwestern sind das Rückgrat des Kampfes gegen die Cholera», so die Journalistin Nina Lachani.13

 

Medizinische Hilfe rund um den Globus

«Kubanische medizinische Spezialisten haben das Leben von Millionen von Menschen gerettet, haben Millionen die Fähigkeit gegeben zu sehen und haben Tausende von Ärzten aus den Entwicklungsländern ausgebildet, haben Millionen von Operationen durchgeführt, haben bei über einer Million Geburten assistiert und fahren fort, medizinische Hilfe rund um den Globus zu leisten – zu einer ungefähr sechsmal grösseren Anzahl von Menschen als die Bevölkerung von Kuba. Und all dies, ohne Kosten für die Patienten oder die Studenten. Wie ist das möglich? Grundsätzlich ist das die Folge des politischen Willens verbunden mit dem Ziel, den verarmten und an den Rändern unserer Welt lebenden Menschen Unterstützung zu geben. (…) Das erfordert Weitsicht, ein Gefühl der mitmenschlichen Ethik, eine Verantwortung für das Wohlergehen der Anderen. Es bedeutet den Wert auf das humanitäre Kapital statt auf den Markt zu legen. Diese tiefgreifenden politischen Initiativen während der letzten mehr als 50 Jahre wurden von den internationalen Medien weitgehend ignoriert. Bedauerlicherweise hat keines der Länder der ‹entwickelten› Welt diesen Zugang der humanitären Verpflichtung übernommen –Nord-Süd‹Hilfe› müsste lernen von der Süd-Süd Zusammenarbeit à la cubana.»

John M. Kirk, Chris Walker: Moral medicine: the Cuban way A revolutionary example of efficient an affordable healthcare, in: New Internationalist, Nov 01, 2012

«Die Wirtschaft muss im Dienste der Gesellschaft stehen»

Die Schweizer Bildungslandschaft bietet unzählige Möglichkeiten

Interview mit Staatsrat Jean-François Steiert, Fribourg

Zeitgeschehen im Fokus Welche Bedeutung muss man der Berufsbildung in der heutigen Zeit beimessen?

Staatsrat François Steiert Die Berufsbildung ist heute immer noch zentral, in erster Linie für die Gesellschaft, aber auch für die Wirtschaft, die im Dienst der Gesellschaft stehen muss. Das Berufsbildungssystem ist ein System, das uns erlaubt, sehr differenzierte Kompetenzen für die verschiedenen Bedürfnisse aufzubauen. Dazu gehört, dass man im ganzen handwerklichen Bereich, aber auch im Dienstleistungsbereich mit sehr guten praxisorientierten Fähigkeiten ins Berufsleben einsteigen kann.

Was ist für Sie an unserem Berufsbildungssystem wichtig?

Ganz zentral ist neben den praxisorientierten Kompetenzen, dass wir ein durchlässiges System haben. Durchlässigkeit ist nicht gratis, sondern verbunden mit Arbeit und Motivation. Jeder, der motiviert ist sich weiterzubilden, sich umzubilden oder auf seinem Grundwissen aufzubauen, soll das Ganze ohne unnötige formelle Schranken machen können, aber er muss bereit sein, für zusätzliches Wissen Zeit und Energie zu investieren. 

Welche Bedeutung hat die Berufsbildung für unsere Gesellschaft?

Ich gehe davon aus, dass wir in unserem Land sehr gut ausgebildete Menschen haben. In allen Bereichen, in die andere Länder weniger investieren – ich denke da vor allem an den KMU-Bereich –, aber auch in grossen Betrieben gibt es sehr viele Lehrlinge. Sie bekommen einen Rucksack mit, der es ihnen erlaubt, sozial relativ gut abgesichert ins Leben einzusteigen. Das ist sicher das Rezept dafür, dass nur ein kleiner Teil mit ungenügendem Wissen ins Berufsleben hinaus muss. Der gesellschaftliche Zusammenhalt ist entsprechend besser, wenn möglichst viele Leute gut ausgestattet sind, um ins Berufsleben einzusteigen.

Wo ist der wirtschaftliche Vorteil der Schweizer Berufsbildung gegenüber anderen Ländern?

In anderen Ländern gibt es da und dort ebenfalls eine Berufsbildung, aber was es nicht oder nur sehr rudimentär gibt, ist die duale Berufsbildung. Ich bin überzeugt, dass die Mischung zwischen praktischem und theoretischem Lehren in der Berufsbildung gut modulierbar ist. Es gibt die intellektuelleren Jungen, die neben der Berufsausbildung noch die Berufsmatur machen, während sich die anderen stärker auf das Praktische konzentrieren. Wir haben auch mit der Einstiegsstufe in die Berufsbildung etwas für diejenigen, die noch zu wenig Wissen haben und mit einer kürzeren Variante einsteigen können. Wenn sie motiviert sind, können sie weitermachen. Das gibt uns sehr viel Fachkompetenz in der gesamten Wirtschaft, denn es gibt keinen Wirtschaftszweig, in dem eine Berufslehre kein Vorteil ist. Was ich nicht richtig finde, ist, praktische Berufe gegen akademische Berufe auszuspielen. In einer modernen Gesellschaft brauchen wir beides. Es braucht eine ausgewogene Verteilung.

Wie muss man sich diese genau vorstellen?

Bei einem kleineren KMU ist die Berufsbildung zentral, in einem grösseren KMU ist man in der Schweiz in einem Bereich, in dem man Produkte weiterentwickeln muss. Man braucht dann oft Mitarbeiter, die eine Fachhochschule absolviert haben und im Bereich angewandte Forschung einen Beitrag leisten können. Deshalb fördern wir die Zusammenarbeit zwischen Fachhochschulen und den KMU, damit es Leute gibt, die die Brücke zwischen Forschung und Praxis bilden können. Deshalb sind Jugendliche, die eine Berufslehre gemacht haben und sich danach weiter ausbilden, optimal, weil sie beides kennen. Analog dazu hat sich sehr früh schon der Präsident der ETH Lausanne, Patrick Aebischer, für Brücken zwischen Universitäten und Fachhochschulen eingesetzt. Er hat sehr früh propagiert, dass sich die Gleichwertigkeit der beiden Bereiche bei verschiedener Natur am besten sichern lässt, wenn Brücken die Durchlässigkeit erleichtern.

Manche geben dieser Brückenfunktion nicht so viel Bedeutung. Wie sehen Sie das?

Ich finde das falsch. Gerade die Möglichkeit, sich nach einer Berufslehre weiter auszubilden, den Bachelor abzuschliessen oder an der ETH zu studieren, ist ein Anreiz, erst eine Lehre zu machen und immer noch die Möglichkeit zu haben, die Ausbildung weiterzuführen. Damit bekommt die Berufslehre eine höhere Attraktivität, auch wenn die Möglichkeiten von vielen nicht genutzt werden.

Häufig ist es so, dass die akademische Ausbildung oder die Ausbildung an einer Fachhochschule höher gewichtet wird, als die Vertiefung ins praktische Wissen. Wie sehen Sie diese Entwicklung?

Dazu fallen mir zwei Dinge ein. Das eine ist, die Erwartungen in der Arbeitswelt haben sich massiv geändert. Ich habe vor 16 Jahren im Erziehungsdepartement des Kantons Waadt begonnen zu arbeiten. Dort war man inmitten der Diskussion, was man von einem KV-Lehrling erwarten könne. Und man hat festgestellt, dass zwischen den grossen Versicherungsverbänden, Banken und sehr grossen Dienstleistungsunternehmen, die ausserordentlich grosse Anforderungen an die theoretischen Kompetenzen eines Schulabgängers gestellt haben, und einem kleinen KMU oder einem KV-Kleinbetrieb sehr grosse Unterschiede bestanden. Das hat es nicht ganz einfach gemacht, einen Weg zu finden, der allen recht war. Den einen war es zu wenig, den anderen war es zu viel. Es gab auch bestimmte Lehrgänge, deren Inhalte weit entfernt waren von den Bedürfnissen der Arbeitswelt.

Was sind die Ursachen dafür?

Unter anderem die höheren Erwartungen: Wenn man dem Bäcker vor 30 Jahren gesagt hätte, du musst auch einen Computer bedienen können, hätte man sicher gesagt: Du spinnst. Inzwischen gibt es kaum noch einen Beruf, in dem man nichts mit einem Computer zu tun hat: Informationen sammeln oder das Rechnungswesen beherrschen oder was auch immer. Berufe, die ganz ohne neue Kompetenzen auskommen, die man vor 20 Jahren noch nicht gebraucht hat, gibt es heute sozusagen keine mehr.

Was bedeutet das für die Menschen?

Es gibt sehr wenige nicht qualifizierte Berufe, daneben aber auch Jobs, die es in 20 Jahren vermutlich nicht mehr geben wird. Diese Bereiche sind es, die mit den Jahren am meisten Arbeitslose produzieren. Hier besteht das Interesse, insbesondere über Weiterbildung möglichst früh mehr Wissen einzubringen. Das stärkt die Menschen, die in diesen Bereichen arbeiten, auf dem Arbeitsmarkt. Man sollte den Anteil derjenigen, die mit 50 Jahren den Anschluss verpasst haben, möglichst klein halten.

Wie sehen Sie das Verhältnis zwischen Fachhochschulen und Universitäten?

Wir müssen dafür sorgen, dass Universitäten Universitäten bleiben und Fachhochschulen Fachhochschulen. Hier muss zwar eine Durchlässigkeit bestehen, damit man das fehlende Wissen nachholen kann, wenn man nach dem Bachelor wechseln will, und es braucht auch Zusammenarbeit und Austausch zwischen den Schulen, aber die Fachhochschulen sollten ihre Praxisorientiertheit bewahren und nicht versuchen, kleine Universitäten zu sein. Es sind gleichwertige, aber unterschiedliche Abgänge, und das sollte auch so bleiben.

Was heisst das im konkreten Fall?

Universitäten müssen gegenüber den Fachhochschulabgängern möglichst offen sein, die nach einem Bachelor einen universitären Master abschliessen möchten. Man muss den jungen Menschen aber klarmachen, dass sie in einem Jahr einiges nachholen müssen, was oft einen rechten Aufwand bedeutet, so dass sie von Anfang an einschätzen können, ob das realistisch ist oder nicht.

Herr Staatsrat Steiert, vielen Dank für das Gespräch.

Interview Thomas Kaiser

SWISS LABEL – Stärkung der Schweizer kleinen und mittleren Unternehmen (KMU)

Veranstaltung zum 100jährigen Jubiläum von SWISS LABEL

von Thomas Kaiser, Brunnen

Im für die Schweizer Geschichte bedeutenden Städtchen Brunnen am Vierwaldstättersee lud SWISS LABEL in den ehrwürdigen Waldstätterhof zum 100jährigen Jubiläum ein. Dem Ruf nach Brunnen waren eine Vielzahl von Mitgliedern, aber auch kantonale und nationale Prominenz gefolgt. Das Wetter war herrlich, das Programm versprach Abwechslung sowie interessante Redner, und am Ende der Veranstaltung musste man eindeutig festhalten: Es war ein gelungener Anlass.

(Bild thk)

In der einführenden Rede hob SWISS LABEL Präsident und alt Nationalrat Ruedi Lustenberger neben der positiven Entwicklung der Organisation die Verdienste seines Amtsvorgängers, des verstorbenen alt Nationalrats Bruno Zuppiger, hervor, und würdigte dessen Engagement, das SWISS LABEL wieder auf Erfolgskurs gebracht hatte. Und dieser Erfolg scheint im Moment unumkehrbar zu sein, denn die Mitgliederzahlen steigen kontinuierlich.  

In seiner Grussbotschaft brachte der Schwyzer Regierungsrat, Andreas Barraud, zum Ausdruck, dass die geschichtsträchtige Umgebung des Vierwaldstättersees einen engen Zusammenhang mit der Bedeutung und Zielsetzung von SWISS LABEL habe. Er unterstütze voll und ganz das Anliegen, das das einheimische Gewerbe fördere und den Firmen so einen Mehrwert verleihe, wenn sie mindestens 70 Prozent ihrer Produkte in der Schweiz herstellten. Er hob hervor, wie wichtig es sei, im Land produzierte Erzeugnisse zu kaufen, und welche Bedeutung das für das einheimische Gewerbe und letztlich für unsere Gesellschaft habe, da es sowohl für Arbeits- als auch für Ausbildungsplätze sorge. 

«SWISS LABEL ist swissmade»

Der Direktor des Schweizerischen Gewerbeverbands (sgv), Nationalrat Ulrich Bigler, richtete ebenfalls einige Worte an die zahlreiche Zuhörerschaft, indem er unter anderem die grosse Bedeutung des einheimischen Gewerbes betonte und welche Wichtigkeit das für den Werkplatz Schweiz habe. «SWISS LABEL ist swissmade».  

Nach dem Ende der Generalversammlung begaben sich die Anwesenden begleitet von Alphornklängen zum Apéro auf das bereits zum Ablegen wartende Ausflugsschiff. Die Fahrt zu den geschichtsträchtigen Orten wie dem Rütli und der Tellsplatte verliehen dem Apéro eine spezielle Note. Ein ungezwungenes Plaudern mit diesem und jenem liess die Stunde bis zum Mittagessen schnell vorübereilen, umrahmt von dem prächtigen Panorama des Vierwaldstättersees, das in der Septembersonne sich von der schönsten Seite zeigte.

«Aus der Schweiz für die Schweiz»

Zurück im Seehotel Waldstätterhof richtete der Schwyzer Ständerat, Peter Föhn, vor dem Mittagessen ein Grusswort an die Anwesenden, in dem er die Bedeutung des Gewerbes für die Schweizer Wirtschaft betonte. Die Tüchtigkeit und Innovationskraft trage Entscheidendes zur wirtschaftlichen Stabilität bei, umso mehr müsse sie von den Bürgerinnen und Bürgern bevorzugt behandelt werden, nach dem Motto «aus der Schweiz für die Schweiz». Neben Peter Föhn wandte sich auch die Armbrustschützin Monika Hurschler, die 2016 die Europameisterschaft gewonnen hatte, an die Anwesenden, indem sie sich für die Unterstützung von SWISS LABEL, ihrem Hauptsponsor, bedankte und gleichzeitig konstatierte, dass der Erfolg immer im Kopf beginne.

Das eigene Gewerbe unterstützen

Durch den Nachmittag führte Bundesrat Ignazio Cassis, zu diesem Zeitpunkt noch Nationalrat mit Tessiner Charme. Als «Höhepunkt des Tages» bezeichnete er die eigens für diese Veranstaltung engagierte Walliser Sängerin Sina. Sie verstand es, das nicht nur junge Publikum mit ihren Walliser Klängen in Bann zu ziehen. 

Nach dem Jubiläumstag blieb neben all den persönlichen Gesprächen und Erlebnissen vor allem ein Eindruck zurück, dass es sich unbedingt lohnt, das eigene Gewerbe zu unterstützen, weil somit die Eigenständigkeit der Schweiz auch im wirtschaftlichen Bereich gestärkt wird und dadurch genügend Arbeits- und Ausbildungsplätze für unsere Bevölkerung zur Verfügung stehen. 

SWISS LABEL – eine Antwort der Schweizer Unternehmen auf die negativen Auswirkungen der Globalisierung

Interview mit alt Nationalrat Ruedi Lustenberger, Präsident von SWISS LABEL

Zeitgeschehen im Fokus Welche Bedeutung hat SWISS LABEL in der Schweizer Landschaft der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU)?

Alt Nationalrat Ruedi Lustenberger SWISS LABEL, bekannt durch das Markenzeichen mit der Armbrust, ist bei der Schweizer Bevölkerung fest verankert, und die Bürgerinnen und Bürger wissen, was sich dahinter verbirgt. SWISS LABEL hatte eine bewegte Geschichte in den letzten 100 Jahren. Es war ein Auf und Ab und gegen Ende des 20. Jahrhunderts hatte der Mitgliederbestand eine kritische Grösse erreicht. 

SWISS LABEL: Urs Wyler (Finanzen), Ruedi Lustenberger (Präsident) und Ruedi Horber (Geschäftsführer) (Bild thk)

 

Wie hat sich das geändert?

Es ist auf die Initiative des damaligen Präsidenten des Schweizerischen Gewerbeverbandes Bruno Zuppiger, zurückzuführen, der SWISS LABEL wieder reaktiviert hat. Ich durfte im Jahre 2005 die Marke und den Verein übernehmen und habe zusammen mit der Geschäftsstelle und dem Vorstand versucht, SWISS LABEL weiter auf die Beine zu helfen.

Das ist gelungen?

Das kann man sagen. Es ist eine kleine Erfolgsgeschichte. In den letzten Jahren haben wir eine Zuwachsrate an Mitgliedern im zweistelligen Prozentbereich. Im Moment beträgt die Mitgliederzahl gut 900.

Was verbirgt sich hinter SWISS LABEL?

Die Armbrust ist ein Markenzeichen, das für jene Werte steht, welche die Schweiz bereits vor 100 Jahren ausgemacht haben und die unser Land auch heute noch ausmachen. Es ist die hohe Qualität, es ist die Zuverlässigkeit, die Termin- und Vertragstreue, es ist das Eingehen auf Kundenwünsche, und es ist das, was man international als Schweizer Qualität bezeichnet. Die Mitglieder von SWISS LABEL vertreten diese Werte, und weil sie diesen Werten verpflichtet sind und auch so arbeiten, ergibt sich daraus eine gute Ausgangsposition am Markt. 

Was waren die Umstände, die bereits vor 100 Jahren zur Gründung von SWISS LABEL geführt haben?

Die Gründung der Organisation vollzog sich am Ende des Ersten Weltkriegs. Es war eine schwierige Zeit, und es gab damals schon Bestrebungen, billiger, aber dadurch auch mit weniger Qualität zu produzieren. Seither ist das eine ständige Herausforderung für die Unternehmungen. Die Idee, die seiner Zeit zur Gründung geführt hat, ist heute noch genau die gleiche. Es geht um die oben erwähnte Werthaltung. 

Inwieweit haben die Werte, die SWISS LABEL vertritt bzw. ihre Mitglieder vertreten, etwas mit der Geschichte der Organisation zu tun?

Ja, da gibt es einen engen Zusammenhang. Ich war vor 100 Jahren bei der Gründung noch nicht auf diesem Planeten und kann das so auch nicht 1 zu 1 vergleichen. Aber wenn wir die Entwicklung in den letzten 100 Jahren, die turbulenten 20er Jahre, die schwierigen 30er, die in den Zweiten Weltkrieg geführt haben, die Nachkriegszeit und die Epoche der Globalisierung, die manchen Exzess hervorgebracht hat, in einem grösseren Zusammenhang sehen, dann ist SWISS LABEL auch eine Antwort der Schweizer Unternehmen auf die negativen Auswirkungen der Globalisierung. Der Mitgliederzuwachs, den wir seit 10 Jahren haben, ist nicht wegen mir als Präsidenten erfolgt. Es ist eine Antwort auf die negativen Auswirkungen der Globalisierung: Es wird irgendwo auf dieser Welt am billigsten Ort etwas produziert und über Tausende von Kilometern transportiert, um es an einem anderen Ort mit einem möglichst hohen Gewinn zu verkaufen. Das ist sowohl ökologisch wie auch sozial- und gesellschaftspolitisch problematisch.

Hier setzt SWISS LABEL ein Gegengewicht.

Jawohl, wir produzieren in der Schweiz, wir produzieren zu Schweizer Bedingungen. Wir verwenden wenn möglich Schweizer Rohstoffe und versuchen, unsere Produkte primär in der Schweiz zu verkaufen, aber auch im Ausland. Es sind Arbeitgeber, die soziale Verpflichtungen gegenüber der Arbeitnehmerschaft erfüllen, die mit den Ressourcen anständig umgehen und einen vernünftigen Preis am Markt verlangen. 

Wäre es nicht die Aufgabe der Politik, unseren KMU mehr Unterstützung und Schutz vor billigen Produkten aus dem Ausland zu geben?

Der Protektionismus auf der ganzen Welt hat zwar auch negative Auswirkungen, aber in letzter Zeit lässt sich eine Verstärkung des Protektionismus erkennen. Das hängt direkt mit den negativen Begleiterscheinungen der Globalisierung zusammen. Es ist eine Gratwanderung. Dazu müssen wir festhalten, dass es in der Schweiz hohe Löhne und hohe Preise gibt. Und von jemandem, der einen hohen Lohn erhält, weil die Produktpreise das erlauben, sollte man eigentlich erwarten, dass er, bedingt durch seinen hohen Lohn, gewillt ist, auch einen entsprechenden Preis für die Produkte zu bezahlen. Zum anderen möchten wir auch unsere Produkte ins Ausland exportieren. Ein vernünftiges Mass an Export und Import haben wir immer dann gefunden, wenn wir überdurchschnittlich gute Produkte hergestellt haben. 

Ist dieses ausgeglichene Verhältnis in den letzten Jahren trotz guter Produkte ins Wanken gekommen?

Ja, wenn es so ist, dass derjenige am Markt erfolgreich ist, der am billigsten produziert, dann ist das eine schlechte Entwicklung. Denn der Billigste ist sicher nicht derjenige, der die sozialen Verpflichtungen gegenüber den Arbeitnehmern einhält, die Umweltauflagen berücksichtigt etc. Deshalb bin ich der Auffassung, dass der räumlich begrenzte Kreis, der Produktion und Absatz umfasst, in einer Gesamtbetrachtung gesehen besser dasteht, als wenn er den ganzen Weltkreis umfasst.

Sehen Sie einen Zusammenhang zwischen dem Schweizer Staatssystem und der Zielsetzung von SWISS LABEL?

Die Produkte, die in den Handel kommen, werden in einem Unternehmen hergestellt. Das sind die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die letztlich das Produkt herstellen. Und diese Bürger haben in unserem Staat einen direkten Einfluss auf die Ausgestaltung der Politik, durch unsere direkte Demokratie. Das ist ein Prozess, an dem sie beteiligt sind. Ein staatspolitisch interessierter Bürger, der zur Abstimmung geht, der hat in aller Regel auch ein politisches Denken. Er denkt nicht nur staatspolitisch, er denkt auch volkswirtschaftlich und er denkt gesellschaftspolitisch. Das wiederum bildet die Grundlage für die Verantwortung gegenüber den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Daher erklärt sich auch der gute Ruf von SWISS LABEL, weil sich das beschriebene Bewusstsein auf die Geschäftsführung direkt auswirkt.

Herr alt Nationalrat Lustenberger, vielen Dank für das Gespräch.

Interview Thomas Kaiser, Brunnen

Mit der Auszeichnung SWISS LABEL konkurrenzfähiger bleiben

Interview mit Nationalrat* Ignazio Cassis

Nationalrat*  Ignazio Cassis (Bild thk)
Nationalrat* Ignazio Cassis (Bild thk)

Zeitgeschehen im Fokus Welche Bedeutung hat SWISS LABEL für die Schweizer Wirtschaft?

Ignazio Cassis Es hat eine grosse Bedeutung. Wir wissen, dass die Swissness, die Etikette Schweiz, einem Produkt einen besonderen Mehrwert verleiht. Man geht im weltweiten Vergleich von einem Mehrwert von 20 Prozent aus. Das heisst, wir sind auf der ganzen Welt für unsere Zuverlässigkeit, Qualität, Präzision und Bescheidenheit bekannt. Diese Werte sind auch die Werte des Freisinns, die ich mit voller Überzeugung vertrete. Als man mich vor 5 Jahren für den Vorstand von SWISS LABEL angefragt hat, um die italienische Schweiz zu vertreten, habe ich sofort zugesagt.

Wie wird das SWISS LABEL in der italienischsprachigen Schweiz wahrgenommen?

Es hat eine stark zunehmende Bedeutung bekommen. Ich habe gerade an der letzten Vorstandssitzung von SWISS LABEL die Frage gestellt, warum wir so viele neue Mitglieder aus dem Tessin und den italienischsprachigen Bündner Tälern haben. Niemand konnte das wirklich beantworten. Der Präsident wollte dann nett mit mir sein und meinte, das sei wegen mir, weil ich im Vorstand sei. (lacht)

Wer weiss, vielleicht ist es ja so.

Ich weiss es nicht, aber ich habe immer ein bisschen Werbung für SWISS LABEL gemacht. Es ist eine «win-win-Situation». Als Politiker kann man für das Label und damit für unsere gute Qualität werben, und gleichzeitig wird man von den Bürgerinnen und Bürgern wahrgenommen.

Die Mitglieder von SWISS LABEL sind vielfach KMU-Betriebe. Welche Rolle spielen die KMU in der Schweizer Wirtschaftslandschaft?

Sie haben eine substantielle Bedeutung. Mehr als 90 Prozent der Schweizer Betriebe sind KMU. Das ist wie bei einem Körper. Ohne Wirbelsäule funktioniert nichts. So ist es bei den KMU. Sie sind die Wirbelsäule der Schweiz, der Schweizer Wirtschaft. Wir müssen dafür sorgen, dass sie möglichst viel unternehmerische Freiheit haben, sich weiterentwickeln können und nicht von der Bürokratie erstickt werden.

Die Wirbelsäule der Schweiz… hier spricht der Arzt.

Ja, das stimmt. Ich bin Arzt, und meine Bildersprache kommt aus meinem Beruf.

Man hat die Wirtschaft in den letzten Jahrzehnten immer mehr internationalisiert bzw. globalisiert. SWISS LABEL versucht hier einen Kontrapunkt zu setzen mit der Betonung des Nationalen, des Regionalen. Wie beurteilen Sie das unter dem Gesichtspunkt der wirtschaftlichen Entwicklung?

Ich sehe zwei Aspekte. Der erste bezieht sich auf das, was Sie angesprochen haben. Nach dem Globalisierungsfieber ist wieder vermehrt der Wunsch nach Grenzen, Identität und Verwurzelung aufgekommen. Bei SWISS LABEL kommt das sehr zum Ausdruck. Der andere ist, dass die internationalen Märkte es uns erlauben, unsere Produkte auch ins Ausland zu exportieren und weltweit abzubringen. Dort können wir gerade mit der Auszeichnung SWISS LABEL konkurrenzfähiger bleiben.

Wie erreichen wir das?

Es ist unentbehrlich, dass wir unsere Qualität hochhalten und auch die vorhin angesprochenen Werte ins Zentrum stellen. Was dabei hilft, ist, dass wir unsere Produkte und Dienstleistungen mit etwas kennzeichnen, was sofort vermittelt: Das sind Schweizer Produkte, das ist gute Qualität.

Sehen Sie einen Zusammenhang zwischen der wirtschaftlichen Prosperität, der guten Qualität und dem politischen System der Schweiz?

Ja, unbedingt. Unser Staatswesen ist von unten nach oben aufgebaut. Also «bottom up», wenn man es «modern» ausdrücken will. Nichts geschieht ohne das aktive Mitmachen der einzelnen Bürgerinnen und Bürger, ergo der KMU, denn die meisten KMU sind sehr kleine Betriebe. Das ist für mich die Quintessenz der Schweiz. Sie ist föderalistisch, von unten nach oben aufgebaut und direktdemokratisch. Hätten wir diese Elemente nicht im Fokus unseres Interesses, wage ich zu bezweifeln, dass die Menschen in der Schweiz noch in Frieden zusammenleben könnten.

Warum denken Sie das?

Unsere kulturellen und sprachlichen Unterschiede sind recht gross. Sie wissen, dass unsere Nachbarländer Deutschland, Frankreich, Italien jahrhundertelang im Krieg waren. Wir konnten das bei uns verhindern, weil jeder Kanton eine grosse Autonomie, jede Gemeinde sowie jede Bürgerin und jeder Bürger eine grosse Freiheit besitzen und wir als Staat neutral sind. Deshalb können wir trotz der grossen Unterschiede in Frieden zusammenleben.

Herr Nationalrat Cassis, vielen Dank für das Gespräch.

Interview Thomas Kaiser, Brunnen

* Zum Zeitpunkt des Interviews war Ignazio Cassis noch Nationalrat

 

Wir sind ein Schweizer Hersteller

Unser Unternehmen ist ein Holz verarbeitender Betrieb, der Büro- und Objektmöbel herstellt. Unser Standort ist in Sempach, und wir sind 25 Mitarbeiter. Zu SWISS LABEL gehören wir seit einem Jahr. Wir drei aus der Geschäftsleitung hatten die Idee, dort mitzumachen. Unser Betrieb ist seit März 2016 ISO-zertifiziert und gleichzeitig meldeten wir uns bei SWISS LABEL an. Für unseren Betrieb ist die Identifikation mit Schweizer Produkten sehr wichtig. Wir sind ein Schweizer Hersteller und für uns ist SWISS LABEL ein Markenzeichen, das wir nach aussen tragen können, und wir sind stolz darauf. Ich bin im Verkauf tätig, und es ist für uns wichtig, sagen zu können, dass wir in der Schweiz produzieren und dass wir Zulieferer aus der Schweiz berücksichtigen. Deshalb tragen wir das SWISS LABEL. Viele Leute wissen nicht, dass es so etwas gibt, und es ist unsere Aufgabe, das so nach aussen zu tragen. Ich habe den Eindruck, dass unsere Kunden immer wieder einen Aha-Effekt erleben, wenn sie erfahren, dass wir hier in Sempach produzieren. 

Marcel Walser, Zemp Objekt- und Büromöbelbau, Sempach

SWISS LABEL – wertvolle Arbeitsplätze im Land erhalten

Interview mit dem Schwyzer Regierungsrat Andreas Barraud

Regierungsrat Andreas Barraud (Bild thk)
Regierungsrat Andreas Barraud (Bild thk)

Zeitgeschehen im Fokus Herr Regierungsrat, die Organisation SWISS LABEL hat heute ihre 100jährige Jubiläumsfeier in Brunnen durchgeführt. Sie haben ein Grusswort gesprochen. Welche Bedeutung hat es, dass SWISS LABEL hier nach Brunnen gekommen ist?

Regierungsrat Andreas Barraud Wenn Sie das Symbol von SWISS LABEL kennen, nämlich die Armbrust, dann hat das eine sehr lange und tief verwurzelte Tradition, besonders in Verbindung mit unserem Kanton Schwyz.

Woran denken Sie dabei?

Aus dem Kanton Schwyz kommt «unser» Wilhelm Tell und das Symbol der Armbrust, unser Kantonswappen trägt das weisse Kreuz auf rotem Hintergrund, und letztlich durfte unser Kanton der Schweiz auch symbolisch den Namen schenken. Wir haben 1315 in Brunnen den Bund der Eidgenossenschaft von 1291 bekräftigt, und ich denke, es ist die Tradition und die Symbolik von SWISS LABEL, dass man genau diesen geschichtsträchtigen Ort hier ausgewählt hat, um das 100jährige Jubiläum zu feiern, zu dem ich nochmals herzlich gratuliere. 

Welche Bedeutung hat SWISS LABEL in einer Wirtschaft, die bis jetzt noch von der «Globalisierung» bestimmt wird?

Ich beurteile die Bedeutung von SWISS LABEL als sehr hoch. Heute kann der Konsument vieles per Internet, per Social Media oder über andere Kanäle irgendwo einkaufen. Gerade darum ist es um so wichtiger, dass wir unseren Bürgerinnen und Bürgern mit diesem Label, und letztlich mit dem, was dahintersteht, sagen, das ist ein Produkt, das hier, in der Schweiz mit im Land erstellten Komponenten produziert worden ist. Sozusagen «aus der Region für die Region». Das sind die heutigen Argumente, die nicht falsch sind, und die es unbedingt zu beachten gilt. 

Was wird damit erreicht? 

Es geht doch im Endeffekt darum, dass wir bevorzugt unsere Schweizer Produkte kaufen. Wenn wir – sprich unsere Bevölkerung – das nicht mehr konsequent machen, dann hat das einschneidende Auswirkungen auf unsere Unternehmen und in der Folge auch auf die Jugendlichen, die dann z.B. keine Lehrstelle oder qualifizierte Mitarbeiter keine Arbeit mehr finden, weil die Firmen sich im Wettbewerb nicht mehr halten können. Wie sollen wertvolle Arbeitsplätze erhalten bleiben, wenn unsere Unternehmen nicht mehr produzieren können, weil die eigene Bevölkerung ihre Produkte nicht mehr kauft? Hier sind wir mehr als nur in der Pflicht.

Was ist die Rolle der Bürger?

Gehen wir mit gutem Beispiel voran, kaufen wir einheimische Produkte, die mit dem SWISS LABEL und der Armbrust. Diese haben bekanntlich zwar auch ein Preisschild, das vielleicht auch mal etwas höher als bei anderen Produkten ist. Da braucht es eben diese Weitsicht, um zu sagen: Das ist für unser Land und unsere Bevölkerung wichtig. Es geht um unsere KMU und um unsere (Volks-)Wirtschaft, tragen wir ihr unbedingt Sorge. Denken wir dabei auch an die nächsten Generationen, es geht um deren Zukunft.

Inwiefern hat SWISS LABEL eine verbindende Funktion?

Das Bewusstsein der Bürgerinnen und Bürger muss soweit geschärft werden, dass sie den tieferen Sinn und Hintergrund des Labels erkennen und daraus ableiten können, woher das Produkt und seine Komponenten kommen. Ich bin nicht der Auffassung, dass alles staatlich reguliert werden muss. Hier geht es darum, unseren Bürgerinnen und Bürgern zu erklären, was eine gut funktionierende Wertschöpfungskette bedeutet, wie wichtig sie ist, und was es heisst, den Lebensunterhalt mit eigenen Produkten zu verdienen, neue Arbeits- und Ausbildungsplätze zu schaffen und zu erhalten sowie qualitativ gute Produkte zu fertigen. Das unterstützt auch den inneren Zusammenhalt unserer Gesellschaft.

Welche Bedeutung haben die KMU, die vornehmlich mit Schweizer Komponenten produzieren, für unsere Wirtschaft?

Es sind die grossen Stützen unserer Ökonomie. Von ihnen lebt unsere Bevölkerung, leben die Kantone, lebt die Schweiz. Diesen Auftrag, das zu fördern und zu unterstützen, hat sich SWISS LABEL gegeben – und sie wird diesen Auftrag auch weiterhin wahrnehmen, um diese eidgenössischen Werte nach aussen zu tragen. Dabei wünsche ich SWISS LABEL natürlich viel Glück. Die stetig steigenden Mitgliederzahlen zeigen mir auch, dass unsere Unternehmen diesem Anspruch selbst nachkommen wollen. Diesen SWISS LABELGeist habe ich auch an der 100. Jubiläums-Generalversammlung gespürt. Frei nach dem Motto: «Tue Gutes und sprich darüber.»

Herr Regierungsrat Barraud, ich danke für das Gespräch.

Interview Thomas Kaiser, Brunnen

(Bild thk)

 

«Schweizer Qualität ist im wahrsten Sinne des Wortes unbeschreiblich»

Mein Betrieb ist in der welschen Schweiz in Nyon zu Hause. Ich bin ein «Handy-Man», ein Allrounder, und erledige verschiedene handwerkliche Aufgaben wie z. B. Schreiner-, Sanitärarbeiten oder Installieren von Insektenschutz. Auch übernehme ich technischen Service für eine Schweizer Firma, die Fahnen und Masten herstellt. Mein Betrieb besteht aus mir. 2008 habe ich damit begonnen, und es läuft genügend gut, dass ich mir leisten kann, Teilzeit zu arbeiten, damit ich mich meinen 3 Kindern als Vater zu Hause widmen kann. Mein Arbeitsgebiet ist von Genf bis Lausanne. Seit 2013 bin ich bei SWISS LABEL und trage das als Qualitätsmerkmal. Das Positive daran ist, dass es schweizweit Gültigkeit hat und offiziell ist. Was ich mir mehr erhoffe, ist, dass das Label noch mehr Wirkung erzeugt. Dass die Menschen mich auswählen, weil ich bei SWISS LABEL bin und das ein Markenzeichen für gute Arbeit ist. Es sollte eine grössere Öffentlichkeit erreichen und weniger politisch sein. Es sollte allen Menschen in der Schweiz bekannt sein und besonders in der welschen Schweiz. Die Schweizer Qualität ist im wahrsten Sinne des Wortes unbeschreiblich, und deshalb sollte man mehr für den Handwerker tun. 

Raphael Weisskopf, Raphy’s toll, Travaux-Bricoles-Créations, Nyon

«Es geht nicht, im grenznahen Ausland einzukaufen»

Interview mit Gabriel Strebel, Geschäftsführer von Strebel Vision, Birmenstorf

Gabriel Strebel (Strebel Vision Innovative Produkteentwicklung) (Bild thk)
Gabriel Strebel (Strebel Vision Innovative Produkteentwicklung) (Bild thk)

 Zeitgeschehen im Fokus Was stellt Ihre Firma für Produkte her?

Gabriel Strebel Ich bin pensioniert und habe mir als 65jähriger einen Traum erfüllt, nämlich einen Grill zu entwickeln, der weder raucht noch stinkt, und bei dem die Würste schön herauskommen. Dabei ist mir wichtig, dass der Grill in der Schweiz hergestellt wird. In Thailand oder China könnte ich den Grill für einen Drittel des Preises herstellen lassen, wie das bei den meisten Grills der Fall ist. 

Warum machen Sie das nicht?

Ich möchte, dass er in der Schweiz hergestellt wird, damit meine Kollegen Arbeit haben. Auch wenn es teurer ist, wird es von den Kunden bezahlt, weil es ein SWISS LABEL darauf hat. Zu meinen Kunden, zum Beispiel Metzger, kommen keine Inder und Koreaner und kaufen dort Würste, sondern Schweizer. Ich habe das Label ganz gross auf dem Produkt, 10 auf 10 cm, damit der Kunde sieht, dass es in der Schweiz hergestellt wird. 

Sind Sie schon lange bei SWISS LABEL dabei?

Von SWISS LABEL habe ich schon lange gewusst, da ich aber bisher nur Ideen verkauft habe und keine Produkte, kam das nicht in Frage. Seitdem ich produziere, ist es mir ganz wichtig, das SWISS LABEL auf dem Produkt zu haben. Inzwischen bin ich daran, die Firma zu verkaufen. Im Vertrag ist festgehalten, dass in den nächsten 10 Jahren der Grill in der Schweiz produziert werden muss. 

Können Sie diesen Grill auch im Ausland verkaufen? 

Ich kann ihn sehr gut ins Ausland verkaufen, sicher auch dank dem SWISS LABEL. Aber ich habe ein Produkt, das man nicht aktiv verkaufen muss. Die Menschen bestellen es bei mir, und zwar über das Internet. Ich habe in dem Sinn keinen Verkauf. Das Produkt ist so einmalig, dass es gekauft wird. 

Stärkt das Label die Schweizer Wirtschaft?

Das ist sicher so. Im Ausland kennt man das. Ich spreche mit vielen Leuten, z. B. am Unspunnen-Fest, und so bekommt das Produkt  Bekanntheit. Die Chinesen wissen sogar, was SWISS LABEL bedeutet. Sie kaufen in der Schweiz tonnenweise Uhren, das könnten sie aber auch in andern Ländern tun. Aber sie wissen, welche Qualität in unseren Uhren steckt. Das ist der Grund für den Erfolg. Das wissen auch unsere Nachbarn ennet der Grenze.

Müsste die Schweiz diesen Qualitätsstandard nicht auch international mehr in die Waagschale werfen?

Ja, wir haben ein Privileg, und das nutzen wir viel zu wenig aus. Die Ausländer schätzen das. Man kennt das vom Schweizer Sackmesser her. Wir sind in dieser Beziehung zu bescheiden, manchmal vielleicht auch ein bisschen zu bequem. Aber man sollte doch die Werkzeuge, die man besitzt, richtig einsetzen. Wenn man schon Pfeile im Köcher hat, dann sollte man diese auch brauchen. Es geht doch nicht an, dass wir selbst, weil es billiger ist, im grenznahen Ausland einkaufen. Unsere Firmen können nur existieren, wenn wir als Bürgerinnen und Bürger sie in unserem Land auch unterstützen. Wo soll denn unsere Jugend sonst eine Lehrstelle finden?

Herr Strebel, vielen Dank für das Gespräch.

Interview Thomas Kaiser, Brunnen

 

«Wir verkaufen Schweizer Produkte»

Gegründet wurde unsere Firma, die Pumpenfabrik Stöckli, als Familienbetrieb im Jahre 1908. Unser Firmenstandort ist in 6018 Buttisholz LU. Anfänglich wurden Güllenpumpen und Güllenschläuche hergestellt. Pumpen und Rührwerke werden bis heute gebaut. In den 1990er Jahren baute die damalige E. Stöckli AG den Bereich der spanabhebenden Bearbeitung mit ihrem CNC-Maschinenpark für die verschiedensten Einsatzgebiete, wie Maschinenbau, Aviatik usw. auf. 

Seit 2016 führt die 4. Generation in Oliver Stöckli, zusammen mit den beiden Geschäftsführern Mladen Okolic und mir, die Stöckli Pro AG weiter. Damit bieten wir mit 19 Vollzeitstellen einigen Menschen in unserer Region eine Arbeitsstelle. Neben der Produktion von Pumpen und Rührwerken sowie der Bearbeitung für Dritte sind wir spezialisiert auf die Projektrealisierung von Frischwasserförderung über Hochdruckreinigung bis hin zur Installation kompletter Abwasser-Systeme. Um unsere, vollständig in der Schweiz hergestellten Produkte besser vermarkten zu können, setzen wir seit rund einem Jahr auf SWISS LABEL. Das Label mit der Armbrust ist unseres Wissens das einzige Label, welches getragen werden darf, wenn mindestens ein Anteil von 70 % des kompletten Produktes in der Schweiz hergestellt wird. Auch soll eine Diskussion um die Erhöhung dieses Anteils im Gange sein, wobei wir bei einer Erhöhung des Anteils nichts zu befürchten hätten. Die Stöckli Pro AG trägt mit Stolz das SWISS LABEL auf ihren vollständig in der Schweiz hergestellten Produkten. Gerne gehen wir davon aus, dass sich SWISS LABEL auch bei unseren Aussendienst-Stellen verkaufsfördernd auswirkt, denn «wir verkaufen Schweizer Produkte». Von der verkaufsfördernden Wirkung mit SWISS LABEL sind wir in der Schweiz wie auch im Ausland überzeugt.

Fabian Werlen, Geschäftsleitung Stöckli Pro AG, Buttisholz

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